Veit Buetterlin-Goldberg
Frankfurt
Kreditrisiken, geopolitische Turbulenzen, eine beschleunigte Regulierung und digitale Transformation – die Risikofunktionen bei Banken in der DACH-Region stehen unter Druck. Chief Risk Officers (CROs) sind daher gefordert, Strukturen, Tools und Prioritäten in einem zunehmend volatilen Umfeld zu überdenken.
Unsere aktuelle Studie, die auf strukturierten Interviews mit CROs führender Banken in Deutschland und der Schweiz basiert, liefert ein klares Bild davon, wo die Herausforderungen liegen und wo Risikoverantwortliche handeln sollten.
1. Kreditportfolios unter Stress und die Notwendigkeit eines proaktiven Managements
Das wirtschaftliche und geopolitische Klima wird von 67 % der CROs als eine der größten Bedrohungen für das Kreditportfolio angesehen, insbesondere im Bereich der Unternehmens- und Gewerbeimmobilienfinanzierung. Als Reaktion darauf haben 88 % ihre Frühwarnsysteme bereits angepasst, um die Risikoerkennung zu verbessern und ein schnelleres Eingreifen zu ermöglichen.
Stresstests, Portfolioanalysen und die häufigere Einbindung von Risikoausschüssen sind bei vielen Banken inzwischen Standard. Künstliche Intelligenz (KI) beginnt, eine Rolle bei der Erkennung von Frühwarnsignalen zu spielen – die praktische Nutzung ist jedoch noch sehr heterogen.
2. Sanktionen und Handelsrisiken sind jetzt eine tägliche operative Herausforderung
Die Geschwindigkeit der Änderungen im Sanktionskontext ist für 45 % der CROs zu einer täglichen Belastung geworden. Zwar bewerten 80 % der CROs ihre Tools zur Überprüfung von Sanktionen als effektiv, doch die durchschnittliche Bewertung von fünf von zehn Punkten zeigt, dass es noch viel Raum für Verbesserungen gibt – insbesondere im Hinblick auf die weitere Automatisierung der Prozesse und die Reduzierung von “false-positive”-Treffern bei der Identifikation sanktionierter Parteien und Vorgängen.
Darüber hinaus entwickeln sich Zollrisiken zu einer erheblichen Bedrohung. Analysen zeigen, dass eskalierende Handelskonflikte die deutsche Wirtschaft in den nächsten vier Jahren bis zu 180 Milliarden Euro kosten und 300.000 Arbeitsplätze gefährden könnten. Das Schweizer BIP könnte in einem ausgewachsenen Handelskrieg jährlich um über 0,2 % schrumpfen.
Auswirkungen auf das Kreditrisiko sind in höheren Ausfallquoten, größeren Spreads und Rating-Herabstufungen zu sehen. Erhöhte Marktvolatilitäten, Liquiditätsstress und operationelle Risiken (z. B. durch die Unterbrechungen von Lieferketten) runden eine komplexe neue Bedrohungslandschaft ab.
3. KI und Automatisierung: strategische Bedeutung, aber noch weitgehend ungenutzt
Während 100 % der CROs künftige Anwendungsfälle für KI im Risikomanagement sehen, setzen nur 28 % sie derzeit systematisch ein, und nur 54 % stufen den derzeitigen Reifegrad der Prozessautomatisierung in ihrem Bereich als überdurchschnittlich hoch ein.
Die ersten Anwendungsfälle beschränken sich auf Pilotprojekte in den Bereichen Monitoring, Betrugsprävention und Compliance-Modellierung. Die breitere Implementierung von künstlicher Intelligenz bleibt ein strategisches Ziel, was jedoch durch die Integrationskomplexität und die Nutzung von Altsystemen eingeschränkt wird.
4. IT-Ausgaben und regulatorische Belastung dominieren die Sachkosten
Für 73 % der CROs sind die IT-Ausgaben der wichtigste Faktor bei den Sachkosten – ein Ergebnis steigender Investitionen in die Digitalisierung, die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften (z. B. DORA) und die Cybersicherheitsinfrastruktur. Viele Führungskräfte im Risikomanagement erwarten, dass sich dieser Trend im Jahr 2025 noch verstärken wird, da die Anforderungen an Outsourcing, Tools und Governance weiter steigen werden.
Bemerkenswert ist, dass 45 % der CROs bereits für IT- und Datensicherheit zuständig sind, was die wachsende Bedeutung technikaffiner Führungskräfte im Risikomanagement unterstreicht.
5. Talentmangel zwingt zum strukturellen Umdenken
Der Kampf um Talente ist real: 50 % der CROs planen eine Aufstockung des Personalbestands, insbesondere in den Bereichen Analytik und Technologie, während 27 % eine Verlagerung von Teilen der Risikofunktion in kostengünstigere Regionen in Betracht ziehen.
Angesichts der hohen Nachfrage nach Kompetenzen rund um Compliance-Analytics, Risikomodellierung und KI setzen Banken zunehmend auf Up-Skilling, Offshoring und funktionsübergreifende Talentstrategien, um sich Profile mit diesen zukünftig noch stärker gesuchten Fähigkeiten zu sichern.
Neuausrichtung der CRO-Agenda
Die diesjährige Studie zeigt eindrucksvoll: Die Agenda der CROs verändert sich. Während das Kreditrisikomanagement für 63 % der CROs im Jahr 2025 immer noch an erster Stelle steht, nimmt die Bedeutung von Cybersicherheit, DORA-Compliance und Prozessoptimierung deutlich zu.
Gleichzeitig lösen sich die traditionellen Grenzen der Risikofunktion auf. Drei von vier Banken beziehen die Compliance in den Aufgabenbereich des CRO ein, und viele decken nun auch das Cyber-, IT- und Third-Party Risk Management ab.
Was nun? Ein Aufruf zum Handeln für Risk Manager
Die CROs der Banken stehen vor einem entscheidenden Moment. Einerseits den Bedarf bekannte Risiken effektiv zu managen, und andererseits dem Druck, neue Fähigkeiten rund um Daten, Automatisierung sowie der richtigen Talentstrategie auszubauen.
Aus den Ergebnissen unserer Studie lassen sich fünf strategische Handlungsfelder ableiten:
Bei AlixPartners arbeiten wir mit CROs und Führungsteams zusammen, um Komplexität in Klarheit zu verwandeln und die Risikofunktion in eine proaktive, technologiegestützte und strategisch resiliente Organisation zu überführen.
Wir freuen uns auf einen Austausch mit Ihnen: Gerne erörtern wir mit Ihnen, wie Ihr Institut seine Risikokompetenzen weiterentwickeln und Disruptionen einen Schritt voraus sein kann.
Nehmen Sie Kontakt zu unseren Experten auf: Dr. Veit Buetterlin-Goldberg, Dr. Stefan Duderstadt, Stefan Albust, Daniel Newen, Martin Born, Silvia Roner, Sophia Hudetz und Leonard Funke