Veit Buetterlin-Goldberg
Frankfurt
Deutsche Führungskräfte sehen sich angesichts einer fragilen wirtschaftlichen Erholung und wachsender geopolitischer Turbulenzen mit Druck von mehreren Seiten konfrontiert. Daten aus der Global Risk Survey 2025 von AlixPartners zeigen auf, dass deutsche Unternehmen möglicherweise weniger gut als ihre Mitbewerber darauf vorbereitet sind, einige dieser Risiken zu mindern, darunter wirtschaftliche und arbeitsmarktbezogene Unsicherheiten, internationale Konflikte und Handelsspannungen.
Unsere globale Risikostudie basiert auf den Antworten von 1.000 Führungskräften aus den Bereichen Recht, Regulierung/Compliance und Risiko aus aller Welt, darunter 100 aus Deutschland. Im Folgenden gehen wir näher darauf ein, welche Risiken deutsche Führungskräfte als die größten für ihre Unternehmen ansehen, wie wirtschaftliche und arbeitsmarktbezogene Probleme dabei eine Rolle spielen und in welchen Bereichen die deutschen Befragten möglicherweise hinterherhinken – darunter KI und Cybersicherheitsbedrohungen. Außerdem untersuchen wir die geopolitischen Faktoren, die voraussichtlich den größten Einfluss auf deutsche Unternehmen haben werden, und wie Unternehmen ihre Anfälligkeit in Zukunft verringern können.
Anhaltende Wachstumsunsicherheit und Arbeitskräftemangel
Angesichts zweier aufeinanderfolgender Jahre mit negativem Wachstum in der deutschen Wirtschaft ist es nicht verwunderlich, dass das wirtschaftliche Umfeld die größte Sorge der deutschen Führungskräfte war. Die deutsche Automobilindustrie beispielsweise sieht sich in diesem Bereich mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert, von wirtschaftlichen Gegenwinden und hartem Wettbewerb bis hin zum anhaltenden Übergang zu Elektrofahrzeugen und den ungewissen Auswirkungen der schwankenden US-Zölle. 55 % der Befragten nannten das wirtschaftliche Umfeld als eines der größten Risiken für ihr Unternehmen im kommenden Jahr – dies war die häufigste Antwort –, gefolgt von der Verfügbarkeit von Arbeitskräften (46 %) sowie geopolitischen Konflikten und technologischen Fortschritten, die mit 40 % gleichauf lagen.
Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit den gemischten Wirtschaftsprognosen für das Land. Laut dem OECD Economic Outlook werden die Gewinne aus dem erwarteten Anstieg des privaten Konsums und den hohen Staatsausgaben wahrscheinlich durch die Unsicherheit in der Handelspolitik und den Fachkräftemangel ausgeglichen. Mehr als ein Drittel der deutschen Befragten (36 %) gab an, dass ein wirtschaftlicher Abschwung zu den größten Risiken für ihr Unternehmen in diesem Jahr zählt.
Talente stehen auch für deutsche Entscheidungsträger ganz oben auf der Agenda. Zwar hat sich der heimische Arbeitsmarkt etwas abgekühlt, doch ist die Arbeitslosigkeit im Vergleich zu anderen Ländern der Region nach wie vor niedrig, und das Land sieht sich mit einem anhaltenden Fachkräftemangel in der Industrie, im Dienstleistungssektor und im Baugewerbe konfrontiert, ganz zu schweigen von der alternden Erwerbsbevölkerung. Die deutschen Befragten zeigten sich im Vergleich zum globalen Umfragepool (27 % gegenüber 19 % weltweit) stärker besorgt über Arbeitskräftemangel und lagen damit auf einer Linie mit den Befragten in Westeuropa (26 %).
Doch obwohl die Risiken allgemein anerkannt sind, hinkt die Vorbereitung hinterher. Nur ein Viertel der deutschen Befragten, die einen wirtschaftlichen Abschwung als kritisches Risiko nannten, waren auf diese Eventualität „sehr gut vorbereitet”. Und weniger als ein Viertel der deutschen Befragten waren auf einen Arbeitskräftemangel „sehr gut vorbereitet”, verglichen mit 31 % weltweit.
Bereiten Sie sich auf die Zukunft vor:
Um Unternehmen vor Störungen zu schützen, sollten Führungskräfte Maßnahmen zur Verbesserung der finanziellen Flexibilität und zur Risikominimierung in Betracht ziehen. Dazu gehören der Aufbau von Bilanzen, die Überprüfung von Kreditlinien und die Stärkung von Risikomanagementprotokollen. Ebenso wichtig ist die organisatorische Flexibilität. Diese geht über agile Tools und Frameworks hinaus – sie ist ein Ergebnis der Unternehmenskultur. Unternehmen sollten eine Lernkultur fördern und sicherstellen, dass ihre Personalstrategien, insbesondere im Bereich der Personalbeschaffung und Talentförderung, eng auf die langfristigen Wachstumsziele abgestimmt sind.
Globale Spannungen und regulatorische Veränderungen
Geopolitische Konflikte spielen für deutsche Unternehmen eine große Rolle: Vier von zehn Befragten nannten sie als eines der wichtigsten Risikofelder für 2025 – weit mehr als im globalen Durchschnitt (27 %). Auf die Frage, welche geopolitischen Faktoren den größten Einfluss auf die globale Geschäftstätigkeit haben werden, gaben die deutschen Befragten regionale Konflikte (47 %), zunehmenden Nationalismus (37 %) und Spannungen zwischen Weltmächten wie den USA und China (51 %) als größte Sorgen an und lagen damit durchweg über dem globalen Durchschnitt. Die exportorientierte Wirtschaft Deutschlands ist besonders anfällig für Störungen durch die sich ändernden US-Zölle, die nach Schätzungen der Regierung innerhalb eines Jahres zum Verlust von bis zu 90.000 Arbeitsplätzen führen könnten.
Handelsspannungen, Krieg und Regimewechsel infolge der wichtigen Wahlen im Jahr 2024 wirken sich auch auf die Durchsetzung von Vorschriften und die Sanktionspolitik aus, von einer veränderten Vorgehensweise der USA bei Finanzkriminalität bis hin zu verschärften EU-Sanktionen gegen Russland. Trotz der erhöhten geopolitischen Besorgnis gaben jedoch nur 20 % der deutschen Befragten (und ein ähnlicher Anteil in Westeuropa) an, dass sie sich auf internationale regulatorische oder sanktionsbezogene Veränderungen „sehr gut vorbereitet” fühlen, was deutlich unter dem weltweiten Durchschnitt von fast 30 % liegt. Deutsche Finanzdienstleister könnten aufgrund ihrer globalen Präsenz und ihrer exportorientierten Unternehmenskunden zudem erheblichen Risiken durch Handelsvolatilität und internationale regulatorische Divergenzen ausgesetzt sein.
Auf die Frage nach ihren größten globalen regulatorischen Herausforderungen nannten die deutschen Befragten Cybersicherheitsanforderungen (37 %) und Vorschriften zur technologischen Widerstandsfähigkeit wie den Digital Operational Resilience Act der EU (34 %) und lagen damit im Einklang mit ihren globalen Pendants. Allerdings rechneten deutsche Unternehmen in mehreren anderen wichtigen Regulierungsbereichen – Kartellrecht, Cybersicherheit, Datenschutz und KI – weniger mit einer verstärkten Durchsetzung in ihrer Region, was möglicherweise auf die bereits strengen EU-Rahmenvorschriften zurückzuführen ist.
Vorbereitet sein auf das, was kommt:
Um weiterhin einen Vorsprung zu behalten, sollten deutsche Unternehmen ihre Strukturen im Hinblick auf geopolitische Risiken in den Bereichen Betrieb, Beschaffung und Umsatz überprüfen und Notfallpläne entwickeln, um mögliche Auswirkungen von Zöllen und anderen Faktoren abzumildern. Außerdem sollten sie ein Regulatory Horizon Scanning und eine Reaktionsplanung für erwartete regulatorische und politische Änderungen implementieren.
Risiken im Bereich Cybersicherheit und KI
Da Cyberangriffe in der digitalisierten Wirtschaft immer mehr zunehmen, stehen Cyberbedrohungen ganz oben auf der Liste der deutschen Befragten. Fast die Hälfte (48 %) gab an, dass eine Verletzung der Cybersicherheit oder ein Vorfall in diesem Bereich ein großes Risiko für ihr Unternehmen darstellt. Dies entspricht den globalen Ergebnissen. Das überrascht nicht: Im vergangenen Jahr verzeichnete Deutschland einen Anstieg neuer Malware-Varianten um 26 % sowie einen drastischen Zuwachs an groß angelegten Netzwerk-Angriffen vom Typ DDoS in der ersten Hälfte des Jahres 2024.
Finanzinstitute und Gesundheitseinrichtungen sind besonders stark von solchen Risiken betroffen – nicht zuletzt wegen der sensiblen Daten, die sie verwalten, und dem hohen Wert erfolgreicher Angriffe. Allerdings haben Unternehmen aus dem Finanzsektor bereits erhebliche Investitionen in die Cybersicherheit getätigt, um ihre Abwehrmechanismen zu stärken. Auch andere Branchen sind stark gefährdet, insbesondere solche mit kritischer Infrastruktur wie Telekommunikation und Energie sowie der Einzelhandel, wo große Mengen an Verbraucherdaten gespeichert werden.
Angesichts der zunehmenden Verbreitung von KI gaben 41 % der deutschen Befragten an, diese für Risiko- und Compliance-Aktivitäten einzusetzen – und sie nutzten sie deutlich häufiger für die Kontrollüberwachung (73 % gegenüber 57 % weltweit). Deutschland ist auch führend bei der Anwendung von KI in bestimmten Bereichen des Geschäftsbetriebs: Fast die Hälfte (45 %) der Befragten gab an, KI in der Fertigung (gegenüber 38 % weltweit) und in der Logistik/Auftragsabwicklung (42 % gegenüber 36 %) einzusetzen.
Allerdings hinken die Vorbereitung und Governance hinterher. Nur 21 % der deutschen Unternehmen fühlen sich „sehr gut vorbereitet”, um Bedrohungen durch böswillige Akteure, die KI einsetzen, zu begegnen. Damit liegen sie deutlich unter dem weltweiten Durchschnitt von 32 %. Der gleiche Anteil – 21 % – gibt an, bereit zu sein, mit den Fortschritten im Bereich KI Schritt zu halten (gegenüber 35 % weltweit).
Zwar verfügten weniger als die Hälfte aller deutschen Befragten über grundlegende KI-Sicherheitsvorkehrungen, doch hatten sie eher andere Compliance-Maßnahmen ergriffen: 47 % hatten einen KI-Governance-Ausschuss eingerichtet (gegenüber 40 % weltweit) und 42 % hatten externe KI-Berater hinzugezogen (gegenüber 35 %).
Bereiten Sie sich auf die Zukunft vor:
In vielen Fällen ist eine sichere Implementierung von KI möglich, jedoch müssen Kontrollen frühzeitig im Implementierungsprozess berücksichtigt und in die Konzeption integriert werden. Um die Lücke zwischen Risikobewusstsein und Maßnahmen zu schließen, sollten deutsche Unternehmen Cybersicherheitsbewertungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette durchführen, Betriebsabläufe anpassen und Leitfäden für die Reaktion auf Vorfälle entwickeln. Unternehmen, die KI implementieren, sollten Compliance-Richtlinien stärken, die Rollen und Verantwortlichkeiten der KI-Akteure klären und die Governance-Rahmenbedingungen und die Aufsicht mit fortschreitender Nutzung der Technologie verbessern.
Schließung der Risikolücke
Deutsche Führungskräfte sind sich der Risiken, denen sie 2025 ausgesetzt sind, sehr bewusst – von wirtschaftlichen Gegenwinden über Cyberbedrohungen bis hin zu globaler Instabilität.
Aber Bewusstsein allein reicht nicht aus. Der echte Wettbewerbsvorteil entsteht durch die Umsetzung dieser Erkenntnisse in Maßnahmen: schnellere Reaktionsplanung, stärkere Governance und robustere Szenariomodellierung. Wer die Lücke zwischen Erkenntnis und Bereitschaft schließt, wird nicht nur die Krise überstehen, sondern auch die Zukunft gestalten.