Wachsende Nachfrage und verwobene Lieferkette: Hersteller in Luftfahrt, Raumfahrt und Verteidigung konkurrieren um knappe Kapazitäten bei Zulieferern
- „Aerospace & Defense Outlook 2025“ von AlixPartners verdeutlicht Handlungsdruck für die Industrie
- Zunahme der Fluggäste, hoher Auftragsbestand und Volatilität in der Lieferkette: Auslieferung von heutigen Flugzeugbestellungen in der zivilen Luftfahrt voraussichtlich erst in den späten 2030er Jahren – Leasinggeber und MRO-Betriebe (Maintenance, Repair and Overhaul) Gewinner der aktuellen Herausforderungen
- Verteidigungsausgaben aufgrund anhaltender Konflikte 2024 auf Allzeithoch – Europa stellt Weichen für Finanzierung weiterer Budgeterhöhungen, um sich für die Zukunft zu wappnen und zunehmendem Handlungsdruck der NATO zu begegnen
- Weltraum wird mehr und mehr zur zentralen Bühne moderner Sicherheitspolitik und Industrieinnovation – und damit zum Schlüssel für wirtschaftliche Stärke und nationale Verteidigungsfähigkeit
MÜNCHEN, 05. Juni 2025 – Die Luftfahrt-, Raumfahrt- und Verteidigungsindustrie muss skalierbare Kapazitäten schaffen, um Lieferketten abzusichern und technologische Innovation voranzutreiben. Das verdeutlicht der globale „Aerospace & Defense Outlook 2025“ der Unternehmensberatung AlixPartners, der eine tiefgehenden Analyse der aktuellen Entwicklungen in den drei Sektoren umfasst. Angesichts der verwobenen Lieferkette liegt eine zentrale Herausforderung in der Verfügbarkeit: Hersteller aus Luftfahrt, Raumfahrt und Verteidigung konkurrieren um die begrenzten Kapazitäten von Zulieferern, die oftmals in mehreren oder sogar allen Bereichen aktiv sind.
Zivile Luftfahrt: Wachsender Luftverkehr, Rekordauftragsbestand und Lieferprobleme
Die Nachfrage im zivilen Luftverkehr steigt weiterhin. Es wird erwartet, dass der globale Umsatz der Fluggesellschaften im Jahr 2025 nahezu 1.000 Milliarden US-Dollar betragen wird, allerdings haben sich die Aussichten durch die Unsicherheit aufgrund von Zöllen im Vergleich zum Beginn des Jahres eingetrübt. Auch mit Blick auf die Zahl der Fluggäste wird mit einer weiteren Zunahme gerechnet. Die Wachstumsraten werden sich, nach den zuletzt starken Zuwächsen infolge der COVID-19-Pandemie, voraussichtlich normalisieren (weltweit: 2025: +6%, 2026: +5%, 2027: +4%; Europa: 2025: +4%, 2026: +3%, 2027: +2%).
Die erhöhte Passagiernachfrage wirkt sich auch auf die Bestellungen bei den Flugzeugherstellern aus. Der Auftragsbestand der Hersteller umfasst über 16.000 Flugzeuge (+3% im Vergleich zu 2024). Der Wert des Auftragsbestands übersteigt 1.000 Milliarden US-Dollar. Der chinesische Hersteller COMAC hat erstmals mehr als 1.000 Flugzeugbestellungen im Auftragsbestand, wobei die Mehrheit der Bestellungen (96%) von chinesischen Auftraggebern stammt.
Gleichzeitig liegen die Auslieferungen neuer Flugzeuge weiterhin rund 30% unter dem Rekordjahr
2018. Diese Lieferverzögerungen haben zu verspäteten Außerbetriebssetzungen von existierenden
Flugzeugen mit alter Triebwerktechnologie und vergleichsweise hohem Treibstoffverbrauch, sowie
zur Verlängerung von Leasinglaufzeiten, Überholungen und Nachrüstungen geführt.
„Kapazitäten bei Triebwerksherstellern sind entscheidend, um die Auslieferungen zu steigern. Die
derzeitige Situation und die alternde Flotte bei Airlines machen Leasinggeber und MRO-Betriebe zu
Gewinnern der aktuellen Herausforderungen in der Lieferkette“, sagt Dr. Stefan Ohl, Co-Leiter des
weltweiten AlixPartners-Teams für Luft- und Raumfahrt sowie Verteidigung.
„Aufgrund der volatilen weltweiten Zölle ist eine Verlagerung der globalen MRO-Kapazitäten nach
Asien und in den Nahen Osten zu beobachten“, ergänzt Daniel Makowski, Partner und Leiter des
Bereichs Luftfahrt bei AlixPartners in Deutschland.
„Leasinggeber, die ungefähr die Hälfte der weltweit betriebenen Flotte kontrollieren, erzielten 2024
49% des operativen Gewinns der Branche. Die alternde Flotte und Probleme mit Triebwerken der
neuen Generation haben den Überholungsaufwand für bestehende Triebwerke, Interieur und
technische Komponenten erhöht“, erklärt Makowski die Hintergründe für diese Entwicklung.
Der hohe Auftragsbestand bei den Flugzeugherstellern und die Volatilität in der Lieferkette sorgen
für lange Vorlaufzeiten bis zur Auslieferung, sodass Flugzeuglieferungen, die heute bestellt werden,
voraussichtlich erst in den späten 2030er Jahren erfolgen. Eine Steigerung der Kapazitäten ist oft
kostspielig und zeitaufwändig. Effizienzverbesserungen durch Technologien wie KI-gestützte
Fertigung stehen vor Herausforderungen aufgrund geopolitischer Ereignisse und Änderungen der
Handelspolitik, da sich auch der Transfer von kritischen Technologien zunehmend schwieriger
gestaltet.
Die großen OEMs und Zulieferer in der Wertschöpfungskette müssen ihre Geschäftsmodelle in den
Sektoren Strukturbau, Rüstungsgüter und Raumfahrtproduktion neu gestalten. Die weiter
wachsende Nachfrage im Zivilbereich verbunden mit steigenden Verteidigungsbudgets verschärfen
diese Probleme. „Zulieferer sind oft in mehreren Bereichen der Luftfahrt, Verteidigung und
Raumfahrt aktiv, sodass die Kapazitäten begrenzt sind. Zusätzlich stellen hohe Anforderungen an
Qualität und Zertifizierung eine Einstiegsbarriere für Hersteller aus anderen Branchen dar, zum
Beispiel aus der Automobilindustrie oder dem Maschinenbau“, sagt Dr. Stefan Ohl.
Verteidigung: Die Industrie ist in der Verantwortung, sich jetzt weitsichtig für die
Zukunft aufzustellen
Die globalen Verteidigungsausgaben steigen weiter rasant an und überschreiten im Jahr 2024
erstmals 2,6 Billionen US-Dollar – ein inflationsbereinigter Anstieg von über 9% gegenüber 2023.
Besonders dynamisch entwickelten sich Russland (+38% gegenüber 2023), der Mittlere Osten
(+12%) und Europa (+12%). Innerhalb Europas treiben unter anderem Deutschland (+28%) und
Polen (+31%) diesen Trend voran, während die Ukraine aufgrund des anhaltenden Kriegs bereits
auf hohem, konstantem Niveau operiert.
Europa erlebt derzeit eine historische Wende in der Verteidigungsfinanzierung durch nationale Bemühungen sowie das „Readiness 2030“-Paket (ehemals „ReArm Europe“) der Europäischen Kommission, mit dem bis zu 800 Milliarden Euro für Verteidigungsprojekte mobilisiert werden sollen. Zentrale Maßnahmen umfassen die Aktivierung der Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakts, um den Mitgliedstaaten größeren haushaltspolitischen Spielraum für Verteidigungsausgaben zu ermöglichen, sowie die Einführung des 150 Milliarden Euro umfassenden Darlehensinstruments „Security Action for Europe“ (SAFE). Dieses dient der Finanzierung gemeinschaftlicher Rüstungsprojekte und soll mit der „Buy European“-Klausel vor allem die heimische Industrie fördern und strategische Abhängigkeiten reduzieren. Die Klausel schreibt vor, dass mindestens 65% der Wertschöpfung eines geförderten Rüstungsprojekts aus der EU, dem EWR, der EFTA oder der Ukraine stammen müssen.
Mit Blick auf den NATO-Gipfel Ende Juni in Den Haag wird erwartet, dass die Allianz neue Verteidigungsausgabenziele in Höhe von bis zu 5% des BIP bis 2032 beschließt – aufgeteilt in 3,5% für Kernverteidigung und 1,5% für Infrastruktur, Cyber- und weitere Sicherheitsinvestitionen. Zugleich soll die Personalstärke von derzeit rund 80 auf 120 bis 130 Brigaden erhöht werden, was insbesondere für Deutschland, das bereits unter Personalengpässen leidet, eine große Herausforderung darstellt.
Trotz dieser ambitionierten Weichenstellungen bestehen erhebliche Unsicherheiten. Viele europäische Staaten verfügen nicht über den finanziellen Spielraum, den sie bräuchten, um die höheren Budgets dauerhaft zu finanzieren.
Wenn die Finanzierung gelingt, stellt sich die Frage, wie viel dieses Bedarfs durch die europäische Industrie gedeckt werden kann. Der Trend, dass die steigenden Rüstungsimporte der europäischen Länder durch die europäische Industrie bedient werden, ist bereits seit 2022 sichtbar und wird sich durch die Instrumente der Europäischen Kommission zwangsläufig fortsetzen – insbesondere mit Blick auf das Darlehensinstrument SAFE mit der erwähnten „Buy European“-Klausel.
„Nicht-europäische Unternehmen im Verteidigungssektor werden in Zukunft verstärkt durch strategische Partnerschaften, Joint Ventures, Technologietransfer sowie lokale Ansiedlung von Produktionsanteilen reagieren müssen, um am europäischen Wachstum zu partizipieren“, sagt Dr. Stefan Ohl.
Für die europäische Rüstungsindustrie eröffnet sich eine historische Chance, sie steht jedoch auch vor großen Herausforderungen. Sie muss ausreichende Kapazitäten aufbauen, um kurzfristig liefern zu können. „Skalierbarkeit und Flexibilität sind gefragt“, unterstreicht Christian Leber, Partner und Leiter des Bereichs Verteidigung bei AlixPartners in Deutschland. „Skalierbarkeit bedeutet dabei jedoch nicht ‚up only‘. Selbst im positivsten Ausblick werden sich die Verteidigungsbudgets auf einem gewissen Level einpendeln und die finanziellen Mittel nicht für immer weiteres Gerät verwendet werden.“ Hier gilt es neue Geschäftsbereiche zu erschließen, um weiterhin von den Verteidigungsbudgets zu profitieren, etwa im Bereich der Betreuung und Kampfwertsteigerung der Systeme im Feld.
Zudem müssen sich die Unternehmen auf zukünftige technologische und regulatorische Anforderungen vorbereiten. Dies betrifft vor allem die Lieferkette und Rohstoffabsicherung sowie die kontinuierliche Überarbeitung des Produktportfolios, um mit Entwicklungen in Schlüsselbereichen wie unbemannte Systeme, Multi-Domain Operations und Software-Defined Defense Schritt halten zu können.
Gleichzeitig erfordern diese neuen Felder deutlich schnellere und flexiblere Entwicklungs- und Fertigungsansätze: Das Produktportfolio muss modularer und kosteneffizienter werden und teilweise für die Produktion in hohen Stückzahlen konzipiert sein.
Ein aktuelles Beispiel sind Drohnen, die sich im Ukraine-Krieg von unterstützenden Aufklärungsmitteln zu zentralen Elementen der Kriegsführung entwickelt haben. Noch sind Produktion und Einsatz der Drohnen stark improvisiert, sie durchlaufen jedoch Entwicklungszyklen von wenigen Wochen und werden bereits millionenfach produziert. Für die Rüstungsindustrie bedeutet das einen Paradigmenwechsel: Unbemannte Systeme werden ein zentraler Bestandteil moderner Arsenale sein – mit tiefgreifenden Auswirkungen auf Entwicklung, Produktion und militärische Strategien. „Dies bedingt eine massive Transformation der derzeitigen Geschäftsmodelle und Unternehmensarchitekturen in der Verteidigungsindustrie“, sagt Christian Leber.
Die Überlegungen in Deutschland, ob und wie Unternehmen aus der Automobil- oder Maschinenbauindustrie ihre Kompetenzen in den Verteidigungssektor einbringen können, unterstützen dabei nur teilweise. Zwar bestehen Potenziale – etwa durch Nutzung von Produktionskapazitäten sowie beim Know-how in Fertigungs- und Entwicklungsprozessen –, doch Marktstrukturen, Regulierungen und Technologievorgaben unterscheiden sich deutlich vom zivilen Bereich. Hinzu kommt: Der Industrialisierungsgrad in der Verteidigungsindustrie liegt deutlich unter dem bspw. der Automobilindustrie und das potenziell adressierbare Auftragsvolumen bleibt im Vergleich wertmäßig weit unter der Automobil-Wertschöpfung. Ein Erfolg hängt daher von Einzelfallbetrachtungen und individuell abgestimmten Partnerschaften ab, in denen beide Seiten ihre jeweiligen Anforderungen und Stärken klar kommunizieren und in gemeinsame Geschäftsmodelle einbringen. Ein strukturierter Dialog ist der Schlüssel, um realistische Kooperationsmodelle zu entwickeln und bislang ungenutzte Synergien zu heben.
Raumfahrt: Der Weltraum als Schlüssel zur Zukunftssicherung Europas
Die europäische Raumfahrtindustrie, und insbesondere Deutschland als einer der führenden Akteure, steht vor einem strategisch bedeutenden Umbruch. Die rasante Weiterentwicklung von Satellitentechnologien und der Ausbau von Konstellationen erfordert umfassende Investitionen in moderne Hardware und die Zusammenarbeit mit starken Partnern im Bereich Startsysteme, Bodeninfrastruktur und Künstliche Intelligenz. Dabei spielt die Sicherung wichtiger Frequenzbänder eine zentrale Rolle, da sie sowohl staatliche als auch kommerzielle Anwendungen im Weltraum ermöglichen und fördern.
Parallel dazu gewinnt die Weiterentwicklung von Softwarelösungen und KI-Anwendungen an Bedeutung, da sie die Nutzung von Weltraumdaten in Bereichen wie Verteidigung, Landwirtschaft, Energie und Verkehr revolutionieren können. Für Europa und Deutschland ist es entscheidend, klare und umsetzbare Strategien zu entwickeln, um den komplexen Anforderungen verschiedener Umlaufbahnen gerecht zu werden und regulatorische sowie geopolitische Herausforderungen zu meistern.
Insbesondere im sicherheitspolitischen Kontext gewinnt die Raumfahrt als Verteidigungsdomäne enorm an Bedeutung. Der Zugang zu und die Kontrolle über satellitengestützte Daten und Kommunikation sind heute wesentliche Bestandteile moderner Verteidigungsstrategien. Deutschland muss deshalb nicht nur seine technologische und industrielle Souveränität stärken, sondern auch seine internationalen Partnerschaften – etwa mit den USA, dem Vereinigten Königreich und anderen europäischen Ländern – gezielt ausbauen, um die eigene Sicherheitsinfrastruktur im All zu festigen. Gleichzeitig gilt es, die europäischen Wertschöpfungsketten zu stärken und sich unabhängiger von außereuropäischen Regulierungen wie ITAR (International Traffic in Arms Regulations) zu machen.
Deutschland und Europa werden in der Raumfahrt zukünftig nur dann eine führende Rolle einnehmen können, wenn sie Raumfahrt nicht nur als Technologieprojekt, sondern als industriepolitische und geopolitische Priorität verstehen. „Wer heute konsequent in Hardware, Software und Partnernetzwerke investiert, bestimmt morgen über die wirtschaftliche und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit im All“, erklärt Dr. Stefan Ohl.
Über AlixPartners
Expertise, Umsetzungsstärke, Verantwortung – AlixPartners steht für messbare Ergebnisse „when it really matters“. Als global agierende Unternehmensberatung helfen wir unseren Klienten dabei, schnell und entschlossen auf ihre wichtigsten Herausforderungen zu reagieren. Unsere erfahrenen Beraterinnen und Berater sind spezialisiert darauf, Unternehmenswerte zu schaffen, zu schützen und wiederherzustellen. Vom „manager magazin“ und der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Management & Beratung (WGMB) wurde AlixPartners 2023 als umsetzungsstärkstes Beratungsunternehmen ausgezeichnet. Seit über 40 Jahren unterstützt AlixPartners seine Klienten – mit inzwischen rund 3.500 MitarbeiterInnen in 26 Büros weltweit.
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