AlixPartners-Studie: KI im Aufsichtsrat – Werkzeug, Wettbewerbsfaktor oder Wachablösung?
- „Aufsichtsrats-Radar 2025“: 80% der Befragten sehen KI-Expertise zunehmend als entscheidenden Faktor für die Besetzung von Aufsichtsräten.
- Aufsichtsräte sehen sich beim Thema KI vor allem als Challenger, Impulsgeber und Sparringspartner – jedoch kaum in der Rolle des Kontrolleurs. In Anbetracht der vielfältigen Risiken durch KI sollte die Kontrollfunktion in diesem Bereich nicht zu kurz kommen.
- Inhaltlich bringen sich Aufsichtsräte insbesondere in der Einordnung der strategischen und finanziellen Implikationen von KI sowie in der Identifikation, Bewertung und Hinterfragung von Use Cases und Anwendungsfeldern ein – die Zeit des Experimentierens ist vorbei.
- Aufsichtsräte haben sehr heterogene Ansichten zu KI-spezifischer Regulierung wie dem EU AI Act.
MÜNCHEN, 15. Oktober 2025 – Zwei Drittel der Unternehmenslenker erleben ihre Unternehmen heute als stark disruptiv beeinflusst, sehen darin aber zunehmend auch eine Chance zur Erneuerung. Technologischer Wandel ist dabei der dominierende Treiber, wobei in den vergangenen Jahren Künstliche Intelligenz für viele Unternehmen einer der wichtigsten Hebel für Effizienz und Wachstum geworden ist. Für Aufsichtsräte bedeutet dies: Die Zeit des Experimentierens ist vorbei. KI-Kompetenz muss systematisch im Gremium verankert werden und Mandatsträger müssen sich kontinuierlich fortbilden, um ihrer Rolle gerecht zu werden. Dabei reicht es nicht aus, lediglich auf Veränderungen zu reagieren – es geht vielmehr darum, sich selbst und das Unternehmen aktiv vorzubereiten. Eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema KI ist daher unerlässlich.
Weitere zentrale Erkenntnisse aus dem „Aufsichtsrats-Radar 2025“ der Unternehmensberatung AlixPartners:
- Bedeutung von KI für Unternehmen: KI gilt in den meisten Branchen als einer der größten Effizienz- und Wachstumstreiber. 81 Prozent der Unternehmenslenker äußern sich in AlixPartners-Studien optimistisch zu den Auswirkungen auf ihr Unternehmen, 61 Prozent erwarten konkrete Umsatzsteigerungen. Zwar dominiert aktuell die Sicht auf KI als evolutionären Effizienzhebel, doch in datenintensiven Branchen wie Finanzdienstleistungen oder Medien wird KI zunehmend als disruptiv erlebt – mit Chancen für neue Geschäftsmodelle ebenso wie mit Risiken durch Cyberangriffe, Regulierung oder Fehlinformationen. Deutlich wird dabei, dass die Zeit des Experimentierens mit Blick auf KI vorbei ist. Es geht inzwischen um harte Business-Cases, messbare Effizienzgewinne und Umsatzimpulse. Das wirkt sich auch auf Aufsichtsräte aus: KI-Kompetenz muss systematisch im Gremium verankert werden.
- Rolle des Aufsichtsrats in Unternehmen: In der Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung nehmen Aufsichtsräte stets mehrere Rollen ein – das gilt auch und besonders in Bezug auf Künstliche Intelligenz. Das „Aufsichtsrats-Radar 2025“ von AlixPartners zeigt deutlich: Aufsichtsräte sehen sich vor allem als Challenger, Impulsgeber und Sparringspartner – jedoch kaum in der Rolle des Kontrolleurs. Letztere sollte allerdings in Anbetracht der vielfältigen Risiken durch KI nicht zu kurz kommen. Inhaltlich sehen Aufsichtsräte ihre Kompetenz und Rolle insbesondere in der Einordnung der strategischen und finanziellen Implikationen von KI für das Unternehmen sowie in der Identifikation, Bewertung und Hinterfragung von Use Cases und Anwendungsfeldern. Um dieser Rolle nachkommen zu können, ist eine kontinuierliche Aus- und Weiterbildung von entscheidender Bedeutung. Auch die Branchenexpertise ist weiterhin gleichwertig relevant, um potenzielle Use Cases angemessen bewerten zu können. Gleichzeitig müssen die Voraussetzungen im Unternehmen geschaffen werden: In der Praxis erschweren oft unzureichende Informationen durch den Vorstand („Man bekommt das, was seitens des Vorstandes vorgelegt wird.“) und die Distanz zum operativen Geschäft eine wirksame Aufsicht. Vor allem im deutschen System stoßen viele Gremien hier an Grenzen. Ein Exkurs in den Bereich Private Equity (PE) zeigt, dass das Thema KI dort proaktiv angegangen und als Querschnittsthema für alle Portfoliounternehmen betrachtet wird. In vielen Fällen sitzt mindestens ein PE-Mitglied, das KI vorantreibt, in jedem Board. Die entsprechenden Mitglieder des Boards sind durch ihr Netzwerk gut mit potenziellen KI-Anwendungsfällen vertraut, wodurch sie ihre Rolle als Sparringspartner auch in diesem Bereich effektiv ausfüllen können.
- Verankerung von KI in der Geschäftsführung: Über Unternehmensgrenzen hinweg sind keine einheitlichen Strukturen zu beobachten: Die Verantwortung für KI liegt – häufig historisch gewachsen – bei Komitees, einzelnen Vorständen oder Taskforces. Klare Mandate sind die Ausnahme. Für den erfolgreichen Einsatz von KI müssen sich Unternehmen professionalisieren und Governance-Strukturen schaffen, die offensive und defensive Ziele ausbalancieren – einerseits die beschleunigte Integration von KI für Wettbewerbsvorteile, andererseits Compliance und Risikomanagement. Aufsichtsräte müssen dabei sicherstellen, dass eine wirksame KI-Governance sowie ein angemessenes Risikomanagement etabliert werden.
- Rechtliche Anforderungen und ethische Standards: Die Befragten äußern sich unterschiedlich zu KI-spezifischer Regulierung wie dem EU AI Act. Während einige den hohen Stellenwert von Datenschutz, Fairness und Transparenz betonen, warnen andere vor einer innovationsfeindlichen Überregulierung in Europa und mahnen eine Balance an. Eine Befragte betont: „Die Unmenge an regulatorischen Vorgaben ist wirklich furchtbar und treibt Unternehmen weg aus Europa.“ Ein anderer meint: „Ein Mittelweg zwischen USA und Europa wäre gut. Was in den USA fehlt, haben wir in Europa zu viel. Ich finde es gut, dass man vordenkt und sich überlegt, was müssen wir verhindern und wo einbremsen." Ein dritter Befragter erklärt: „Ich bin entsetzt über Europa. Durch die europäische Überregulierung gehen Potenziale und Wettbewerbsfähigkeit verloren, denn die Welt wartet nicht auf uns.“
- Nutzung von KI durch den Aufsichtsrat: In der Gremienarbeit nutzen nur 55 Prozent der befragten Aufsichtsräte KI. Klar ist jedoch: Richtig eingesetzt unterstützt KI das Gremium dabei, Kontroll- und Beratungsaufgaben schneller, fundierter und datenbasiert zu erfüllen. Zu beachten ist allerdings, dass Überwachungs- und Beratungspflichten persönlich und eigenverantwortlich wahrzunehmen sind. Eine Delegation an KI-Systeme ist rechtlich ausgeschlossen, eine Haftungsfreistellung durch Technologie ist nicht möglich. Deshalb dürfte mit zunehmender technischer Reife und der Etablierung rechtlicher Rahmenbedingungen KI die Arbeit von Aufsichtsräten zwar zunehmend unterstützen, jedoch nicht ersetzen.
Das gesamte „Aufsichtsrats-Radar 2025“ von AlixPartners finden Sie hier.
Über die Studie „Aufsichtsrats-Radar 2025“
Zwischen März und Juni 2025 führte AlixPartners Tiefeninterviews mit Aufsichtsratsmitgliedern aus Unternehmen unterschiedlicher Größen – darunter DAX-, MDAX-, SDAX-, Euro Stoxx 50-, ATX- und SMI-Unternehmen – sowie aus verschiedenen Branchen. Im Mittelpunkt standen die Bedeutung und der Umgang mit Künstlicher Intelligenz in Aufsichtsräten sowie mögliche Unterschiede zwischen Finanzdienstleistern und anderen Branchen. Ergänzend flossen Daten aus der „AlixPartners Digital Disruption Survey 2024“ und dem „AlixPartners Disruption Index 2025“ in die Analyse ein.
Über AlixPartners
Expertise, Umsetzungsstärke, Verantwortung – AlixPartners steht für messbare Ergebnisse „when it really matters“. Als global agierende Unternehmensberatung helfen wir unseren Klienten dabei, schnell und entschlossen auf ihre wichtigsten Herausforderungen zu reagieren. Unsere erfahrenen Beraterinnen und Berater sind spezialisiert darauf, Unternehmenswerte zu schaffen, zu schützen und wiederherzustellen. Vom „manager magazin“ und der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Management & Beratung (WGMB) wurde AlixPartners 2025 erneut für seine Umsetzungsstärke ausgezeichnet. Seit über 40 Jahren unterstützen rund 3.500 MitarbeiterInnen in 26 Büros weltweit die Klienten von AlixPartners.
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