AlixPartners Global Automotive Outlook 2025: Europa steht zum Verkauf

23. Juni 2025
  • Angesichts immer häufiger auftretender Krisen und Disruptionen muss die Automobilindustrie laut AlixPartners zu einem neuen agilen und kostenzentrierten Betriebsmodell wechseln, um auf dem zunehmend wettbewerbsintensiven Markt zu bestehen.
  • Die US-Zollkosten dürften von der derzeitigen Höhe um 40 Prozent auf 30 Milliarden Dollar im Jahr 2026 sinken, wobei der größte Teil an die Kunden weitergegeben wird. Importierte Autos aus Europa werden im Schnitt 4400 $ teurer.
  • Die europäische Industrie steht vor dem Ausverkauf. Wesentlich mehr Käufe amerikanischer und chinesischer Unternehmen in Europa als umgekehrt.
  • Chinesische Autohersteller werden ihren europäischen Marktanteil bis 2030 auf zehn Prozent verdoppeln, europäische Hersteller verlieren dadurch ein Marktpotenzial von rund 400.000 Einheiten.
  • KI-gestützte Prozesse und Systeme können Entwicklungszeiten und Prüfkosten um 20 Prozent verkürzen. 

Detroit und München (23.06.2025) – Bereits seit 22 Jahren veröffentlicht AlixPartners den Global Automotive Outlook (GAO). Eine der Kernaussagen der diesjährigen Studie ist, dass Automobilunternehmen ihre Geschäftsabläufe grundlegend umgestalten müssen. Nur dann wäre garantiert, dass sie das existenzielle Ausmaß der aktuellen Disruptionen überleben, mit denen ihre Branche heute konfrontiert ist. Zu diesen Disruptionen und Störungen gehören, laut der jährlich erhobenen, detaillierten Branchenanalyse des globalen Beratungsunternehmens, Zölle und weitere geopolitische Maßnahmen, ein geringerer Absatz von Elektrofahrzeugen als erwartet, der anhaltende Aufstieg vieler wettbewerbsintensiver chinesischer Automobilunternehmen, Regionalisierungsdruck, und Lieferengpässe. Einfluss haben zusätzlich die schnell wachsende Bedeutung von ADAS-Funktionen und softwaredefinierte Fahrzeugarchitekturen. 

Fabian Piontek, Partner und Managing Director Automotive & Industrial Practice: „Der GAO liefert einen klaren Überblick über eine Branche, die durch langsames Wachstum, hartnäckig hohe Kosten, überproportional hohe und derzeit kaum amortisierbare EV-Entwicklungsausgaben in der westlichen Hemisphäre und den Erfolg der technologischen Konkurrenz durch führende chinesische NEV (New Energy Vehicles) Anbieter getrieben wird. Zulieferer und Hersteller sollten ihre Erkenntnisse, die sie über die Gewinner auf dem chinesischen Markt gemacht haben, als Ansatzpunkte für den Wandel in den eigenen Heimatmärkten nutzen.“

Schlüsselaussagen des Global Automotive Outlooks:

  • Der weltweite Absatz von Pkw wird 2025 nur um ein Prozent steigen, wobei das Wachstum in China und anderen asiatischen Ländern die Rückgänge in Europa und den USA ausgleicht.
  • Der europäische Automarkt wächst, getrieben durch chinesische OEMs. Im Jahr 2025 produziert die europäische Autoindustrie 16,9 Millionen Einheiten. Im Jahr 2030, so die AlixPartners-Prognose, steigt die Zahl auf 17,6 Millionen. Während der Anteil der europäischen Hersteller in der Heimatregion zurückgeht, wächst der der Chinesen (plus 800.000 Einheiten). Chinesische OEMs bauen Werke, die Europäer haben 2030 Überkapazitäten (rund 400.000 Einheiten), die zu Werksschließungen führen müssen.
  • Der Absatz in China wird 2025 nur um drei Prozent steigen, was die stärkeren chinesischen Automobilhersteller und Zulieferer zu weiteren internationalen Expansionsplänen veranlassen dürfte.
  • AlixPartners prognostiziert, dass Elektrofahrzeuge aller Art, einschließlich BEVs (batterieelektrische Fahrzeuge) und EREVs (Elektrofahrzeuge mit verlängerter Reichweite), bis 2030 einen Anteil von 30 Prozent am Weltmarkt haben werden.
  • EREVs besitzen in China mit acht Prozent Marktanteil bereits 2025 eine große Bedeutung (16 Prozent PHEV, 30 Prozent BEV). Ihr Marktanteil wird bis 2030 auf 13 Prozent anwachsen (14 Prozent PHEV, 50 Prozent BEV). In Europa bleiben EREVs auch mittelfristig eine Randerscheinung, werden bis 2030 nicht mehr als drei Prozent Marktanteil erreichen (BEV 43 Prozent, PHEV sechs Prozent im Jahr 2030).
  • Teilnehmer der GAO-Umfragen sehen China technologisch weit vor den US-Herstellern und europäischen OEMs
  • Chinesische Zulieferer erzielen im Schnitt Margen von 12,9 Prozent und liegen damit weit vor der internationalen Konkurrenz und vor den OEMs.
  • Die europäische Industrie steht vor dem Ausverkauf. Wesentlich mehr Käufe amerikanischer und chinesischer Unternehmen in Europa als umgekehrt.
  • In den Jahren 2022 bis 2024 erwirbt Amerika mit Kapitalinvestitionen in Höhe von neun Milliarden USD Unternehmen der europäischen Automobilindustrie. Asien weist das höchste Einkaufsvolumen auf (42 Mrd. USD), wobei rund 14 Prozent auf Übernahmen von europäischen Automobilunternehmen entfallen. Europa ist die einzige Region, die einen Vermögensabfluss (13 Mrd. USD) verzeichnet.
  • Die Anzahl der Veräußerungsaktivitäten in Europa steigt, mit großem Schwerpunkt in der Zuliefererindustrie.
  • Die Kosten der neuen US-Zölle werden sich bis 2026 wahrscheinlich auf rund 30 Milliarden Dollar belaufen. Die GAO-Prognose geht von durchschnittlichen Mehrkosten für europäische Importfahrzeuge in den USA um 4400 USD pro Modell aus, Importe aus Mexiko werden sich im Mittel nur um etwa 1120 USD verteuern.
  • Konsequenter Einsatz von KI kann den Entwicklungsrückstand der Europäer verkürzen und die Entwicklungszeiten reduzieren.
  • ADAS und SDV sind die nächsten Wachstumsfelder, hier dürfen die Europäer den Anschluss nicht verlieren. Sie müssen Entscheidungsprozesse beschleunigen auch durch den Einsatz von KI und Echtzeit-Datenverarbeitung im großen Stil.

Positiv zu vermerken ist, dass der GAO mehrere Maßnahmen aufzeigt, die Automobilunternehmen ergreifen können, um die großen Herausforderungen der Zukunft zu meistern.

„Eine Schlüsselanforderung ist das vollständige Verständnis und die Nutzung fortschrittlicher Mobilität, einschließlich ADAS (Advanced-Driver-Assistance-Systemen)“ sagt Fabian Piontek. „Unser Ausblick prognostiziert, dass das Wachstum des globalen ADAS-Marktes das der traditionellen Fahrzeuge übertrifft, und wir gehen davon aus, dass er bis 2030 50 Milliarden Dollar erreichen wird.“

Ein weiterer Punkt ist die Nutzung von KI-gestützten Systemen und Prozessen zur Verbesserung der Abläufe bei Automobilherstellern und -zulieferern, wodurch Entwicklungszeiten und Prüfkosten um 20 Prozent gesenkt werden können.

Die sorgfältige Auswahl und Einführung von KI ist die Voraussetzung für eine Agilität, die erforderlich ist, um mit den sich verändernden Marktbedingungen zurechtzukommen, heißt es im Ausblick. Der GAO belegt, dass einige Kunden von AlixPartners Möglichkeiten gefunden haben, um bis zu acht Monate eines typischen fünfjährigen Produktentwicklungszyklus mit KI-gesteuertem Design und Tests zu verkürzen. So sinken die Kosten für Verifizierung und Validierung (V&V) um 20 Prozent. Damit schließt sich etwa ein Drittel jener Lücke, die im Zeitplan der Produktentwicklung zu chinesischen NEV-Automobilhersteller geherrscht hat.

Das Ziel, so die Analyse von AlixPartners, ist eine schnellere Entwicklung zu geringeren Kosten, mit Designs und Features, die den Kundenwünschen entsprechen, und vertrauenswürdigen digitalen Tools. Die Entkopplung von Hard- und Software-Entwicklungszyklen sowie die frühzeitige Einbindung von Zulieferern und Dual-Sourcing ermöglichen die größere Geschwindigkeit. 

„Die westliche Automobilindustrie, OEMs wie Zulieferer, muss sich moderne Werkzeuge und wettbewerbsfähige Betriebsmodelle aneignen, um die Agilität zu schaffen, mit der die schnell aufeinander folgenden Krisen bewältigt werden können“, sagt Mark Wakefield, Global Automotive Market Lead bei AlixPartners. „Die Nutzer solcher Betriebsmodelle werden die Lähmung durch die zunehmenden Krisen überwinden und sich auf diversifiziertes, Handeln vorbereiten, das sich auf gemeinsame, einheitliche Daten und eine strategische Haltung und Zielsetzung stützt, statt auf die alten hierarchischen Silos, das Stapeln von Spezifikationen und deterministische Strategien.“

Chinas Exportanstrengungen festigen seine Rolle als treibende Kraft für Veränderungen in der gesamten Branche, die mit Herausforderungen in der Lieferkette zu kämpfen hat, die sich in den letzten Monaten durch den Zugang zu wichtigen Mineralien noch verschärft haben. Dies führt zu einer Dreiteilung der Branche in die chinesischen, europäischen und den US-amerikanischen Regionen.

„In der Automobilindustrie gibt es eine ununterbrochene Folge von Umwälzungen, und ihre Kadenz nimmt weiter an Fahrt auf“, sagt Andrew Bergbaum, Global Leader der Automotive & Industrial Practice bei AlixPartners. "Ein Ergebnis ist, dass, wie ich es manchmal ausdrücke, ‚Europa zum Verkauf steht‘ - womit ich all die M&A-Deals und Gelegenheiten meine, in denen europäische Automobilunternehmen die Handelsware sind. Es liegt auf der Hand, dass die Branche heute weltweit über Maßnahmen nachdenken sollte, an die sie möglicherweise noch nie gedacht hat."

 

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