Zu den verbreiteten Gemeinplätzen zum Standort Deutschland gehört, dass in Fragen der Unternehmensfinanzierung eher traditionell gedacht wird – lieber Bankkredit als Kapitalmarkt, stark vereinfacht gesagt. Zudem wird gelegentlich kritisch angemerkt, dass es hierzulande an den geeigneten gesetzlichen Rahmenbedingungen fehle, um im Krisenfall eine wertmaximierende Sanierung unter Befreiung von bilanziellen (Alt-)Lasten durchzuführen. Ob die Einführung des neuen Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetzes (StaRUG) das an zweiter Stelle genannte Thema zumindest abmildern kann, ist aktuell noch schwer zu beurteilen.
In jedem Fall liefert die zum 16. Mal durchgeführte globale AlixPartners Umfrage „Turnaround and Transformation Survey“ unter Managern und Restrukturierungsexperten zu den oben dargestellten Ansichten einiges an interessantem Anschauungsmaterial. So unterscheiden sich die Rückmeldungen in der Studie zwischen dem deutschsprachigen Raum und dem globalen Durchschnitt deutlich:
- Sowohl die Nutzung der Möglichkeiten der Bilanzrestrukturierung (z.B. Chapter 11, „Out of Court“-Lösungen) als auch die direkte Verhandlung einer Anpassung der Finanzierungskonditionen („Amend & Extend“) liegen in der DACH-Region nur jeweils ungefähr auf der Hälfte des internationalen Niveaus
- Im Gegenzug ist der Rückgriff auf staatliche Hilfsprogramme, die oftmals der Absicherung bereits bestehender Bankkredite dienen, hierzulande nahezu doppelt so stark ausgeprägt wie im globalen Durchschnitt
- Schließlich nannte jeder dritte Umfrageteilnehmer im deutschsprachigen Raum die Umsetzung operativer Einsparmaßnahmen als notwendige Reaktion auf die Krise, während international insgesamt nur jeder Vierte der Befragten diesen Aspekt im Vordergrund sah
Es scheint zunächst verlockend, aus der Kombination dieser Beobachtungen den Schluss zu ziehen, dass sich das hiesige System bei plötzlich auftretenden Krisen insofern als überlegen erweist, als es eben nicht einfach erlaubt, eventuelle Liquiditätsverknappungen auf die Gläubiger abzuwälzen und ansonsten auf ein operatives „weiter so“ zu setzen. Stattdessen führt die zusätzliche Belastung durch (in der Regel teure) staatliche Unterstützung dazu, dass der Druck größer wird, nachhaltige Maßnahmen zur Wertsteigerung zu ergreifen.
Eine solche Interpretation schießt vermutlich etwas übers Ziel hinaus, zumal staatliche Hilfsprogramme in manchen Ländern gerade erst richtig an Fahrt aufnehmen. Unstrittig dürfte jedoch sein, dass Unternehmen generell gut daran tun, in einer Krise nicht nur Maßnahmen zur finanziellen Restrukturierung zu ergreifen, sondern sich auch der Bewältigung operativer Herausforderungen zu widmen. Beide Gesichtspunkte in optimaler Weise miteinander zu verbinden ist dann die hohe Kunst, bei der neben Expertenwissen insbesondere auch ganzheitliche Erfahrung im Umgang mit Turnaround-Situationen von großem Vorteil sind.