Wie viele Handelsbranchen befindet sich auch die Convenience-Industrie inmitten einer Zeitenwende. Von wachsender Konkurrenz durch neue Markteintritte, über den Wandel zur E-Mobilität bis hin zum steigenden Digitalisierungsgrad – an strukturellen Herausforderungen mangelt es keinesfalls. Im letzten Jahr hat sich die Lage weiter verschärft. Das Konsumentenverhalten bleibt zurückhaltend, während die operativen und Finanzierungskosten auf einem konstant hohen Niveau verharren. Diese Umstände prägen eine neue Realität, der sich die Convenience-Industrie stellen muss. Um den Veränderungen gerecht zu werden und die Zukunftsfähigkeit zu sichern, müssen alle unternehmensrelevanten Aspekte auf den Prüfstand. Eine Hauptrolle spielt dabei die Frage der Store-Location und des Store-Portfolios, womit die Convenience-Industrie sich seit Jahrzehnten profiliert. 

Store Portfolios unter Transformationsdruck
Die Zusammensetzung des Store-Portfolios sieht sich grundlegend neuen Prämissen gegenüber. Dies bezieht sich auf sich die spezifischen Standorte sowie das für jeden Standort gewählte Format. Besonders ausgeprägt ist dies im Hinblick auf die sich wandelnden Kundenerwartungen. Ein großer Trend ist dabei das zunehmend autonome und digitale Einkaufsverhalten. Zum einen äußert sich dies in der gestiegenen Nachfrage nach neuen, noch konvenienteren physischen Formaten wie Smart Stores und Vending-Lösungen, letztere vor allem als ländliche Nahversorger. Zum anderen zeigt sich dies im Aufkommen der Quick-Commerce-Industrie, welche sich trotz derzeitigem Umbruch langfristig als  Bestandteil der Convenience Industrie größerer Städte etablieren kann.

Neben dem Einkaufsverhalten befindet sich auch das Fortbewegungsverhalten in einem großen Wandel. Jüngere Generationen besitzen weniger Autos und setzen auf innovative Fortbewegungsmittel in Innenstädten. Hybrides Arbeiten verringert die Pendlerquoten. E-Mobilität ermöglicht das „Tanken“ in den eigenen vier Wänden oder im Büro. Für das Store-Portfolio haben diese Veränderungen im Einkaufs- und Fortbewegungsverhalten als Resultat die Verschiebungen in den Kundenfrequenzen innerhalb bestehender Standorte – sowie Potenzial für neue Standorte und Formate.

Der Transformationsdruck im Store-Portfolio wird zusätzlich durch die Rahmenbedingungen in der Convenience-Industrie beschleunigt. Zum Einen spielen die operativen Kostenstrukturen hier eine Rolle: Wie viele Industrien kämpfen auch Convenience-Retailer mit einem stetigen Kostendruck, etwa durch gestiegene Personal- und Energiekosten. Zum anderen läßt der Preisdruck im Markt die Kostenweitergabe nur teilweise zu. Dies führt zu einer Grundsatzdiskussion über die Zukunftsfähigkeit bestehender Formate an bestehenden Standorten. Ein weiterer Faktor ist der steigende Wettbewerb, insbesondere an strategisch relevanten Knotenpunkten. Dazu gehören nationale wie auch internationale, finanzstarke Wettbewerber. Als Resultat gewinnt die Standortprofitabilität an zusätzlicher Bedeutung. Gleiches gilt für die grundsätzliche Betreiberform.

Next-Level Store Portfolio Management

Abbildung 1. Next Level Store Portfolio Management.

Jeder Convenience Retailer muss sich den neuen Rahmenbedingungen stellen und den Prozess des Store-Portfolio-Managements entsprechend anpassen. Üblicherweise geschieht dies in drei Schritten, wie in Abbildung 1 dargestellt. Grundlage des Prozesses ist eine datengetriebene Analysephase, in der interne und externe Daten verwendet werden, um Standorte analytisch einer von drei Kategorien zuzuordnen: wachsen, konsolidieren, schließen. Die Betrachtung umfassender Daten ist entscheidend, um nicht nur die vergangenen Einflüsse des veränderten Kundenverhaltens und der Rahmenbedingungen auf das Store-Portfolio abzubilden, sondern auch die künftigen. Allerdings können Daten nie die gesamte Realität widerspiegeln, daher sieht Phase 2 die Ergänzung der Daten um das Know-how der Unternehmensinternen Regionalmanager / Geschäftsinhaber in Workshops vor. Dies ermöglicht schlussendlich fundierte und umsetzbare Standortentscheidungen auf Regionalebene, welche in der darauffolgenden Phase implementiert werden können. Aufgrund langer Umsetzungszyklen, z.B. durch Grundstückserschließungen, ist es nicht sinnvoll, alle Standortveränderungen gleichzeitig anzugehen. Stattdessen empfiehlt sich ein strukturierter Ansatz zur priorisierten Bearbeitung der Standorte. Mit Blick auf die veränderten Kundenerwartungen steht dabei zunächst das Aufsetzen von Pilotstandorten im Fokus. Um diese Neuausrichtung des Portfolio-Managements erfolgreich zu gestalten, sind folgende Faktoren zu beachten.


Abbildung 2. Erfolgsfaktoren des Store Portfolio Managements.

Schlussfolgerung
Um die Zeitenwende in der Convenience Industrie zu nutzen, müssten Retailer ihre Store Portfolios grundsätzlich anpassen. Dies erfordert u.a. einen neuausgerichteten, strukturierten Ansatz in drei Schritten: eine datengetriebene Analyse, die Einbeziehung unternehmensinterner regionaler Expertise und eine priorisierte Umsetzung. Die Berücksichtigung sich ändernder Kundenerwartungen und Rahmenbedingungen sind dabei entscheidend, um die nachhaltige Rentabilität zu sichern. Um die sich ergebenden Chancen zu nutzen, muss jetzt proaktiv gehandelt werden.