In der aktuellen Ausgabe widmen wir uns der öffentlichen Ladeinfrastruktur in Deutschland sowie einem Update zum Status der in unserem 2023 veröffentlichten Newsletter genannten Herausforderungen auf dem Weg zu einer erfolgreichen EV-Infrastruktur. Daraus das Wichtigste in Kürze:
- Der Strombedarf der derzeitigen Elektroautoflotte (PHEV; BEV) von 2,4 Millionen Fahrzeugen wird aktuell (neben der Ladeinfrastruktur in z.B. privaten Haushalten) durch circa 128.000 öffentliche Ladepunkte in Deutschland versorgt und wächst mit circa 2.700 Ladepunkten je Monat
- Die Verteilung des Ladenetzwerkes auf der deutschen Landkarte hat sich im Betrachtungszeitraum 2022/2023 in fast allen Bundesländern positiv entwickelt, nur in Hessen und Hamburg werden im Verhältnis weniger Ladepunkte hinzugefügt als BEV & PHEV Fahrzeuge zugelassen
- Zielgerichtete Förderprogramme für ein Schnellladenetz (50 kW Ladeleistung und mehr) und öffentliche Ladepunkte sind aufgesetzt und in Umsetzung (Gesamtvolumen von 3.7 Milliarden € durch das BMDV)
- Bereits bei heutiger Auslastung und einem Strompreis-Premium von 0,30€/kWh kann der IRR (Internal Rate of Return) Werte oberhalb von 20% erreichen
Status Quo EV Parc und EV-Infrastruktur
Aktuell (Stand April 2024) ist in Deutschland eine Flotte an Elektrofahrzeugen von rund 2,4 Millionen Elektro- (BEV) und Hybrid- (PHEV) Fahrzeugen zugelassen, die sich aus 62% BEV- und 38% PHEV-Fahrzeugen zusammensetzt [1].
Dem gegenüber stehen in Deutschland aktuell circa 128.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte. Davon entfallen 103.000 auf Normalladepunkte (bis einschließlich 22kW) und 25.000 auf Schnellladepunkte (größer 22kW) an insgesamt circa 62.000 Ladeeinrichtungen. Dies entspricht einer installierten Gesamtnetzleistung von 4,4 Mio. kW.
Die Gesamtanzahl der installierten Ladepunkte ist seit 2022 mit circa 41% (Okt22 vs. Okt23) gewachsen, im Jahr 2022 wurden je Monat circa 2.700 neue Ladepunkte installiert [2].
Heute haben etwa 80% der Nutzer von Elektroautos die Möglichkeit, ihre Autos auch zu Hause zu laden. Mit wachsender Flotte an Elektrofahrzeugen wird die Anzahl an Nutzern von Elektroautos mit einer Home-Charging-Möglichkeit sukzessive bis zum Jahr 2030 auf circa 47% abnehmen. Grund hierfür sind immer weitere Marktdurchdringungen in Gebieten mit geringerer Hausbesitzer-Quote, z.B. in Städten. Für die Auslastung der öffentlichen Ladepunkte wird gleichzeitig ein Anstieg erwartet – bei Normalladepunkten von heute im Schnitt 18% auf bis zu 23% (entspricht einer Belegung von 4,3h bzw. 5,5h je Tag). Bei Schnellladepunkten von heute 8% auf 12% (2h bzw. 2,8h je Tag).
Herausforderungen auf dem Weg zu einer erfolgreichen EV-Infrastruktur
In unserem 2023 veröffentlichen Newsletter wurden drei wesentliche Herausforderungen herausgestellt, die auf dem Weg zu einer erfolgreichen EV-Infrastruktur zu bewältigen sind:
- Anzahl und regionale Verteilung der Ladepunkte
- (Be-)Treiber der notwendigen Entwicklung des Ladenetzwerkes?
- Erfolgreicher Business Case Investition in Ladeinfrastruktur
Basierend auf der aktualiserten Datenlage und Marktsituation, wollen wir diese drei Herausforderungen auf deren Entwicklung hin erneut überprüfen.
Herausforderung 1: Anzahl und regionale Verteilung der Ladepunkte
In unserem 2024 durchgeführten AlixPartners International Electric Vehicle Consumer-Sentiment Survey zeigt sich gegenüber der erstmaligen Befragung im Jahr 2019 keine Veränderung hinsichtlich der Wahrnehmung einer verbesserten Ladesituation. Global, sind 41% der 10.000 Befragten der Meinung, dass nicht ausreichend Lademöglichkeiten vorhanden sind. In Deutschland hat sich diese Befürchtung mit 38% gegenüber 37% in 2019 noch weiter verschärft.
Das Wachstum der Ladesäulen betrug von 2022 auf 2023 (jeweils zum 01.10.) 53 %, was zu insgesamt 115.000 Ladepunkten führte. Bis März 2024 ist die Anzahl der Ladepunkte auf 128.000 angestiegen.Auch je nach Bundesland hat eine relative Verbesserung stattgefunden [3];
- Weiterhin besteht ein großer Unterschied hinsichtlich der Anzahl der Fahrzeuge je Ladepunkte von bis zu einem Faktor 2 zwischen den Bundesländern.
- Jedoch ist in jedem Bundesland die Anzahl der Fahrzeuge je Ladepunkte geringer geworden und somit aus Endkundensicht besser. Spitzenreiter sind Sachsen und Thüringen mit jeweils 14 Fahrzeugen je Ladepunkte. Die höchste Anzahl an Fahrzeugen je Ladepunkte finden sich im Saarland und Hessen mit 28.
- Betrachtet man nur BEV und Schnellladepunkte (häufigster Lade-Case an Schnellladepunkten), kommen in Deutschland durchschnittlich 55 BEV auf einen aktuell installierten Schnellladepunkt, von 73 im Vorjahreszeitraum.
Zu beobachten ist der Trend, dass die Installation von Schnellladepunkten im Verhältnis zu Gesamtinstallation zunimmt; der Anteil von Schnellladepunkten ist von 17,9% auf 22,1% angestiegen.
Eine weitere Kennzahl zum Vergleich der Entwicklung der Ladeinfrastruktur ist die installierte Ladeleistung. Vom letzten Betrachtungszeitpunkt in 2022 an ist die öffentlich installierte Ladeleistung von 2.600 MW auf 3.800 MW angestiegen (+49%), bis März 2024 bereits auf 4.400 MW. Im Vergleich dazu ist der Elektroautoflotte (BEV + PHEV) von 2.22m auf 2.40m Fahrzeuge.
(+8%) angestiegen.
Beide Aspekte – sowohl regionale Entwicklung als auch Gesamtwachstum Ladeleistung – zeigen, dass die Entwicklung der Ladeinfrastruktur in Deutschland sich positiv über das letzte Jahr entwickelt hat
Herausforderung 2: (Be-)Treiber der notwendigen Entwicklung des Ladenetzwerkes?
Die Umsetzung des öffentlichen wie auch privaten deutschen Ladenetzwerkes wird über das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) beziehungsweise die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur unterstützt und gesteuert. Aktuell existieren mehrere unterschiedliche Förderprogramme, zum einen für Heim-Lade-Stationen, aber vor allem auch für die öffentliche Ladeinfrastruktur, von in Summe insgesamt 3,7 Mrd. Euro Fördervolumen. Hauptprogramme sind die Bundesförderrichtline für öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur mit 500 Mio. Euro Förderung bis 2025 sowie das Deutschlandnetz mit circa 9.000 Schnellladepunkten zum Schließen „weißer Flecken“ auf der Ladelandkarte.
Unsere Befragung (EV Consumer Survey) möglicher BEV-Käufer zeigt, dass Endnutzer von Autoherstellern direkt erwarten, dass diese eine ausreichende Verfügbarkeit des Ladenetzwerks sicherstellen und diesen Schritt nicht allein der Regierung oder Dritten überlassen.
Am Markt sind bereits Unternehmen wie Ionity, BayWa, E.On oder auch Herstellern wie Tesla und weitere direkt aktiv, die, mit besonderem Fokus auf Schnellladepunkte, den Ausbau der EV-Ladeinfrastruktur vorantreiben. Die Top 3 Betreiber sind EnBW mobility+ mit 6.460 Ladesäulen, E.ON Drive mit 4.289 und Tesla mit 2.703. [4]
Weitere Investitionen werden durch die großen Energieunternehmen, wie bspw. Vattenfall und EnBW getrieben, die bis zu 200 Mio. Euro jährlich in den Ausbau ihrer eigenen Ladeinfrastrukturnetze investieren. Zunehmend ist auch zu beobachten, dass große Tankstellenketten wie Shell eine eigene Ladeinfrastruktur aufbauen. Dies wird insbesondere nach der Entscheidung vom 29. Mai 2024 des Bundeskabinetts weiter zunehmen. Die Gesetzesinitiative des Bundeskabinetts sieht vor, dass Tankstellenketten mit mehr als 200 Tankstellen verpflichtet werden, ab Januar 2028 an jeder Tankstelle mindestens einen Schnellladepunkt mit einer Mindestleistung von 150 kW bereit zu stellen [5].
Das Ziel dieser „For Profit Unternehmen“ ist jedoch nicht zwangsläufig eine flächendeckende Infrastruktur, sondern eine Infrastruktur, mit dem Ziel neue / weitere Kunden für die Elektromobilität zu gewinnen und gleichzeitig maximale Wirtschaftlichkeit / Wertschöpfung der Ladepunkte für das Unternemhen zu erzielen.
Herausforderung 3: Lukrativer Investment-Case
Der Investment Case „Ladeinfrastruktur“ kann durch bestehende Förderprograme nach wie vor optimiert werden. Haupttreiber für die Kalkulation eines möglichst attraktiven Internal Rate of Return (IRR) sind die Auslastung sowie der Strompreis-Aufschlag.
Im Beispiel (Grafik 4) wird eine Schnelllade-Station betrachtet (in der Regel mit einem ca. 15-20% höheren Strompreis als Normalladepunkte), mit einem angenommen Premiumaufschlag von 0,3€ auf den Strompreis sowie die aktuell möglichen Subventionen aus Förderprogrammen.
Bei der aktuellen Auslastung von 8-12% an Schnellladesäulen zeigt sich, dass ein IRR von 20% und größer schon jetzt erreichet werden kann.
Bei gleicher Auslastung, jedoch ohne Förderung war ein entsprechender IRR von 20% erst bei einem höheren Premium von 0,4€ erreichbar (Strompreisaufschlag), welcher entsprechend durch die Inanspruchnahme von Fördermitteln wie oben gezeigt reduziert werden kann und gleichzeit ein interessanter Investment Case bleibt. (Notiz: Sekundärumsatz beinhaltet Marketing-Umsatz sowie Retail-Prämien)
Fazit
Insgesamt hat sich die Industrie in allen drei Schlüsselfeldern positiv entwickelt. Besonders hervorzuheben ist das starke Wachstum der Ladeinfrastruktur in Deutschland, mit durchschnittlich 2.700 neuen Ladepunkten pro Monat im Zeitraum von Oktober 2022 bis Oktober 2023.
Auch das Verhältnis von Fahrzeugen zu Ladepunkten hat sich in fast allen Bundesländern verbessert, da weniger Fahrzeuge auf einen Ladepunkt kommen. Nur in Hessen und Hamburg verläuft der Ausbau langsamer als der Zuwachs an zugelassenen Elektrofahrzeugen.
Der Investment Case bleibt dank staatlicher Förderung weiterhin attraktiv, mit möglichen IRR von über 20 % bei bereits heutiger Auslastung.
Ein zusätzlicher positiver Impuls kommt durch die Entscheidung des Bundeskabinetts, Tankstellenketten mit mehr als 200 Standorten zum Aufbau von Ladeinfrastruktur zu verpflichten, was den flächendeckenden Ausbau der öffentlichen Schnellladeinfrastruktur weiter vorantreiben wird.
Melden Sie sich bei weiteren Fragen gern bei unseren Autoren des aktuellen Newsletters.
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[1] Kraftfahrtbundesamt (April 2024)
[2] Bundesnetzagentur (März 2024)
[3] Ladesäulenregister Bundesnetzagentur (Oktober 2023) und Kraftfahrtbundesamt (November 2023)
[4] Quelle: Bundesnetzagentur (April 2024)
[5] Quelle: Tagesschau “Kabinett billigt Ladesäulen-Pflicht für Tankstellenketten” (Mai 2024)