Stefan Ohl
Munich
Die COVID-19 Pandemie hatte im Gegensatz zur kommerziellen Luftfahrtbranche wesentlich weniger drastische Auswirkungen auf die Verteidigungsindustrie. Das könnte sich jedoch ändern, denn der Druck auf die Regierungen, die Krise zu stabilisieren ist nach wie vor hoch. Dies führt zu Unsicherheiten für die Zukunft der Verteidigungsbudgets. So machen die staatlichen Hilfen und Unterstützungsleistungen in Europa und den USA bereits ca. 60% der gesamten nationalen Haushaltsausgaben von 2018 aus, in Bezug auf die europäischen Verteidigungsausgaben (2018) sogar das 16-fache.
Andererseits werden die globalen geopolitischen Konflikte nicht mit der Pandemie verschwinden. Chinas Verteidigungsausgaben sind seit Jahren auf Wachstumskurs und auch Russland hält diese weiterhin auf einem hohen Niveau. Zieht man hier den Vergleich zur Finanzkrise 2008, hatten beide Länder durchgehend steigende Verteidigungsausgaben in den Folgejahren, während sie für Europa und die USA zurückgingen.
Ein Ausblick auf die Pläne der nächsten Jahre ausgewählter europäischer Länder zeigt bisher noch ein eher positives Bild:
Die NATO-Länder haben sich selbst zwei Ziele gesetzt, die erstmals 2006 auf dem NATO Gipfel in Riga vereinbart und in 2014 auf dem Gipfel in Wales bestätigt wurden.
NATO Ziel Nummer 1: Die Verteidigungsausgaben sollen 2% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen.
Die Annäherung an das Ziel von zwei Prozent im Jahr 2020 war stark beeinflusst durch die Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf das Wirtschaftswachstum. Sinkt das BIP bei unveränderten Verteidigungsausgaben, steigt das Verhältnis an. Zukünftig wird es im Länderdurchschnitt wieder nach unten gehen, selbst wenn die Verteidigungsbudgets weiter steigen.
Abbildung 1: Verteidigungsausgaben der Europäischen NATO-Länder und Szenario-basierte Prognose (Quelle: NATO, IMF, SIPRI, AlixPartners Analyse)
NATO Ziel Nummer 2: 20% der Verteidigungsausgaben sollen für Beschaffung und Entwicklung aufgewendet werden.
Dieses Ziel ist insbesondere für die Verteidigungsindustrie der relevantere Indikator, da sie von den anderen beiden großen Kostenblöcken Personal und Infrastruktur nicht profitiert. Über die letzten Jahre ist der Anteil für Beschaffung und Entwicklung im Länderdurchschnitt zwar gestiegen, aber sollten die Haushalte dem aktuellen Druck nicht standhalten und vor dem Hintergrund von steigenden Fixkosten der Streitkräfte, könnte dieser Anteil überdurchschnittlich von Kürzungen betroffen sein.
Weiterhin zeigt sich bei leicht veränderter Interpretation (Annahme des Ziels Nummer 2 als hartes Ziel von 0,4% des BIP, 20% der vereinbarten 2%), welche Länder hier stark investieren und welche noch Nachholbedarf haben.
Abbildung 2: Verteidigungsausgaben der Europäischen NATO-Länder in % des BIP inkl. Anteile für Beschaffung und Entwicklung für 2020 (Quelle: NATO, AlixPartners Analyse)
Insgesamt sollte sich die europäische Verteidigungsindustrie daher auf alle Eventualitäten vorbereiten, um für die Zukunft gewappnet zu sein und die Krise als Chance nutzen.