Aktivistische Investoren fördern die kritische Auseinandersetzung im Aufsichtsrat
- Zwischen 2016 und 2018 gab es in Deutschland 26 öffentliche Kampagnen von aktivistischen Investoren – 160% mehr als zwischen 2013 und 2015
- Aufsichtsratstätigkeit weist unter aktivistischem Einfluss einen höheren Reifegrad auf
- 42% der befragten Aufsichtsräte beurteilen die Höhe der Vergütung im Verhältnis zum Zeitaufwand als zu niedrig
- Mehr als die Hälfte der befragten europäischen Führungskräfte (53%) bemängeln eine fehlende Strategie für den Umgang mit Aktivisten
München (15.4.2019) – Deutschland entwickelt sich als größte europäische Volkswirtschaft zu einem wichtigen Zielmarkt sogenannter aktivistischer Investoren. Allein zwischen 2016 und 2018 gab es in Deutschland 26 öffentliche Kampagnen solcher aktivistischer Investoren gegen börsennotierte Unternehmen und damit 160% mehr als zwischen 2013 und 2015 mit zehn Kampagnen. Neben strukturellen Forderungen wie der Zerschlagung von Konglomeraten oder der Abspaltung besonders profitabler Unternehmensteile ist die Einflussnahme der Aktivisten auf die Entscheidungs- und Aufsichtsgremien der betroffenen Unternehmen ein zentraler strategischer Hebel. Mit dieser Taktik gelingt es den neuen Anteilseignern häufig, den radikalen Performance- und Wertsteigerungsansatz trotz überschaubarer Minderheitsbeteiligung durchzusetzen. Dabei versuchen Aktivisten häufig, Einfluss auf die Aufsichtsräte der Beteiligungen zu gewinnen, und das mit durchaus positiven Effekten auf die Effizienz und Produktivität der Gremien.
So verdeutlichen die Ergebnisse des „Aufsichtsrats-Radars 2019“ von AlixPartners, dass die Governance-Strukturen von Unternehmen unter dem Einfluss der gestaltenden Investoren in vier von fünf relevanten Dimensionen der Aufsichtsratstätigkeit einen höheren Reifegrad aufweisen als ihre Vergleichsgruppe mit klassischer Eigentümerstruktur aus eher passiven Anker- und Kleinaktionären. „Tatsächlich scheint der Einfluss aktivistischer Investoren die Arbeit von Aufsichtsräten effektiver und damit letztlich auch produktiver für die Unternehmen und ihre Anteilseigner zu machen“, kommentiert AlixPartners-Deutschlandchef Andreas Rüter die Ergebnisse des Aufsichtsrats-Radars. „Um diesen Einfluss konstruktiv nutzen zu können und nicht zu Getriebenen zu werden, müssen sich die Aufsichtsräte künftig noch weiter professionalisieren und die Strategie des operativen Managements proaktiver hinterfragen.“ Hierbei geht es insbesondere darum, strategische Alternativen zu durchdenken, Transparenz über kurz- und langfristige Unternehmensziele zu schaffen sowie die Definition und Umsetzung entsprechender Maßnahmen vom Vorstand einzufordern. Die Studienergebnisse belegen: Aktivistische Investoren tragen zu einer Intensivierung all dieser Prozesse bei, einerseits durch gezielte strategische Forderungen, aber auch durch das Einbringen von Know-how und neuer Außenperspektiven.
Aktivisten forcieren exzellent zusammengesetzte Aufsichtsgremien
Die Studie des globalen Beratungsunternehmens basiert neben einer Regressionsanalyse und quantitativen Untersuchungen vor allem auf strukturierten Interviews mit Aufsichtsratsmitgliedern von DAX- und MDAX-Unternehmen sowie aktivistischen Investoren. Über diese wurden die fünf Dimensionen der Effektivität von Aufsichtsratsarbeit ermittelt, die maßgeblich für den Reifegrad von Aufsichtsräten sind. Hierbei wurde insbesondere der Effekt aktivistischer Investoren untersucht und der Vergleichsgruppe mit klassischer Eigentümerstruktur gegenübergestellt. So sind ein möglichst breiter Kompetenzmix sowie die internationale Ausrichtung klare Erfolgsmerkmale für die Aufsichtsratsarbeit. Dabei zeigen die Analysen, dass die zum Teil aggressiv agierenden Investoren einen positiven Einfluss auf den Reifegrad im Bereich „Zusammensetzung und Kompetenzmix“ der Kontrollorgane haben. Dieser liegt mit 66% im Durchschnitt um zwölf Prozentpunkte höher als bei den Unternehmen, die keinen signifikanten Anteil an aktivistischen Eigentümern aufweisen (54%). „Sobald ein Aktivist auf den Plan tritt, ändert sich meist Ausrichtung und Schlagzahl in den Aufsichtsräten. Darauf müssen sich die Kontrolleure gezielt als Sparringspartner des Managements vorbereiten und die rigorose Wertsteigerungsperspektive der Aktivisten in der Unternehmenssteuerung reflektieren“, so Dr. Jan Kantowsky, Co-Autor der Studie und Managing Director bei AlixPartners.
Den größten Effekt haben aktivistische Eigentümer auf den Auswahlprozess neuer Aufsichtsratsmitglieder. Durch einen professionelleren Prozess sowie ein breites Netzwerk von Industrieexperten liegt der Reifegrad aktivistisch geprägter Aufsichtsräte in dieser Analysedimension bei 75% im Vergleich zu 60% bei nicht aktivistisch geprägten. Kaum Einfluss hat die Eigentümerstruktur dagegen im Bereich der Stakeholder-Kommunikation bzw.
-Kooperation. Hierbei unterscheidet sich der Reifegrad mit 75% nur unwesentlich vom Gesamtdurchschnitt mit 74%.
Bedeutungszuwachs für Risikomanagement und Compliance-Anforderungen
Der Umgang der von Aktivisten beeinflussten Aufsichtsräte mit Risikomanagementanforderungen wird mit 70% zu 68% etwas höher bewertet als bei konventionellen Aufsichtsräten. Gleichzeitig steigt generell jedoch auch der Aufwand für das Risikomanagement in der Aufsichtsratsarbeit durch immer komplexere regulatorische Anforderungen und die zunehmende Einbindung in Compliance-Funktionen. „Aufsichtsratsmitglieder stehen unter erheblichen Haftungsrisiken und müssen gemeinsam mit dem Management für ein funktionierendes Risikomanagement sowie Compliance-System sorgen. Das gelingt nur durch eine effiziente Aufgabenteilung, eine enge Zusammenarbeit mit den operativ verantwortlichen Managern und durch den Fokus auf unternehmensspezifische Risiken. Aufsichtsräte müssen sich aktiv um Governance-Mechanismen kümmern, bevor Schwächen für Dritte ersichtlich werden und so Aktivisten auf den Plan rufen“, warnt Rüter.
Angemessene Vergütung für externes Know-how im Aufsichtsrat
Ein weiteres Ergebnis: Laut Studie sehen 42% der befragten Aufsichtsräte die Höhe ihrer Vergütung im Verhältnis zu übernommener Verantwortung und Risiko als zu niedrig an. Das ändert sich, wenn Aktivisten ins Spiel kommen. Einige Studienteilnehmer betonen, dass aktivistische Investoren stark auf eine Erhöhung der Vergütung drängen, um kompetente und erfahrene externe Mitglieder in den Aufsichtsrat holen zu können, von denen im Gegenzug eine deutlich stärkere Auseinandersetzung mit dem Unternehmen erwartet wird. Das führt auch zu einem erkennbar höheren Reifegrad im Bereich der Aufsichtsratsvergütung in Unternehmen mit Aktivistenbezug (60% vs. 53% im Durchschnitt). „Angesichts disruptiver Auswirkungen durch technologischen Wandel, die Entstehung neuer Geschäftsmodelle, geopolitische Verwerfungen und gestiegene Compliance-Risiken haben sich die Herausforderungen für Aufsichtsräte in den letzten Jahren potenziert. Dieser Tatsache muss auch in der Vergütungsstruktur der Aufsichtsorgane Rechnung getragen werden. Sonst wird es kaum gelingen, auch künftig geeignete Kandidaten für diese äußerst anspruchsvolle Tätigkeit zu finden“, fordert Kantowsky.
53% bemängeln fehlende Strategie für den Umgang mit Aktivisten
Dass sich auch europaweit nur ein vergleichsweise geringer Teil der Unternehmen mit strategischen Fragen rund um aktivistische Investoren beschäftigt, zeigt eine ergänzende Umfrage, die AlixPartners unter 500 Führungskräften europäischer Unternehmen durchgeführt hat. So äußerten zwar 68% der Befragten Bedenken über die Zunahme aktivistischer Investoren, gleichzeitig gaben 53% der Befragten zu, keine klare Strategie für den Umgang mit aktivistischen Investoren zu haben. Dabei liegen die Handlungsoptionen auf der Hand. „Erforderlich ist ein unverstellter Blick für die Stärken und Schwächen des Unternehmens, aber eben auch die Identifikation von bisher nicht gehobenem Wertsteigerungspotential“, so das Fazit von Rüter. „Auch erscheint vor dem Hintergrund der sich eintrübenden Konjunktur die Frage umso dringlicher, ob das Unternehmen adäquate Cashflows für Investitionen in Zukunftsbereiche generiert. Mit diesen Präventivmaßnahmen machen Aufsichtsrat und Management die Unternehmen im Schulterschluss wetterfest.“
Über das AlixPartners Aufsichtsrats-Radar 2019: In der Zeit von September 2018 bis Februar 2019 interviewte AlixPartners insgesamt
20 Aufsichtsratsmitglieder überwiegend aus DAX- und MDAX-Unternehmen entlang eines strukturierten Gesprächsleitfadens. Grundlegende Frage der Gespräche war, wie ein Aufsichtsrat aufgestellt sein muss, um bestmöglich mit aktuellen unternehmerischen Herausforderungen umzugehen. Ein Schwerpunkt wurde auf die Erfahrung mit aktivistischen Investoren und deren Einfluss auf den Aufsichtsrat gelegt. Dazu wurden die Auswirkungen von aktivistischen Investoren auf den Aufsichtsrat entlang der fünf Dimensionen des AlixPartners Aufsichtsrats-Radars bewertet:
- Zusammensetzung und Kompetenzmix des Gremiums
- Auswahlprozess für neue Mitglieder
- Kommunikation und Kooperation zwischen Aufsichtsrat und Management sowie innerhalb des Aufsichtsrats
- Risikomanagement
- Aufsichtsratsvergütung
Quantitative Analysen zu unterschiedlichen Aspekten im Bereich der Aufsichtsratsarbeit ergänzten die Interviews. Analysiert wurden z. B. die Zusammensetzung von Aufsichtsräten in Unternehmen, die Anzahl der Aufsichtsratssitzungen und die Nennungshäufigkeit in Zeitungen unter Bezug auf unterschiedliche Quellen bzw. Datenbanken.
Über AlixPartners
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Vom „manager magazin“ und der WGMB wurde AlixPartners 2018 als bestes Beratungsunternehmen im Bereich Restrukturierung & Transformation ausgezeichnet. Mit etwa 1.600 Mitarbeitern ist AlixPartners weltweit in mehr als 25 Büros vertreten. AlixPartners-Berater arbeiten an herausfordernden Projekten, die die Zukunft von Unternehmen maßgeblich beeinflussen, oft in kritischen Situationen, bei denen viel auf dem Spiel steht – when it really matters.
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